Das Thema Hilflosigkeit verfolgt mich, und damit auch dich, nun schon die dritte Woche. Ich habe verstanden, dass momentan, wirklich kein Mensch, eine ehrliche Chance hat, Kontrolle über das eigene Leben zu gewinnen, einfach weil wir in den ersten drei Lebensjahren nun mal motorisch und kognitiv hilflos sind und sich deshalb niemand sicher und stark erlebt. In dieser Zeit der Abhängigkeit machen wir Menschen oft schmerzhafte Erfahrungen, die sowohl unseren Charakter als auch unser Selbstverständnis prägen. Ohne an die eigenen Stärken zu glauben, werden selbst gutmeinende, freundliche Menschen versuchen, die Bedingungen nach ihren Bedürfnissen auszurichten.
Selbst gutmeinende Eltern, die für ihr Kind das Beste wollen, stellen ihre eigenen Bedürfnisse über die des Kindes, wenn sie sich hilflos fühlen. Sobald jemand mit einem unbewältigten, individuellen und unterbewussten Stress belastet ist, verliert dieser Mensch seine Sicherheit und Geborgenheit und sieht sich dann außerstande, auf die Bedürfnisse anderer zu achten.
Ohne für das Überleben wichtige Elementargefühl von Sicherheit und Geborgenheit, verlieren selbst die freundlichsten und liebevollsten Menschen viel von ihrer Souveränität und Loyalität im Umgang mit anderen. Aus einer tief verwurzelten Angst heraus, einer Herausforderung nicht gewachsen zu sein und sich hilflos zu erleben, werden wir buchstäblich wieder zu instinktgesteuerten Tieren, die um ihr eigenes Leben kämpfen. Selbst wenn jemand in einem ausgeglichenen Zustand fair, hilfsbereit und liebevoll ist, treten diese Eigenschaften in den Hintergrund, wann immer sich jemand bedroht fühlt. Wen oder was ein Mensch als gefährlich ansieht, ist abhängig von persönlichen Erfahrungen. Dabei ist die Art der Erfahrung für das Erleben unerheblich. Um sich am Ende hilflos zu fühlen, braucht es nur die Erfahrung, selber nicht handlungsfähig zu sein. Wenn man eine solche Situation trotzdem mehr oder weniger unbeschadet überstanden hat, ohne allerdings aktiv an der eigenen,,Rettung“ beteiligt gewesen zu sein, dann gewinnt man nicht, sondern verliert von der vorhandenen Stärke. Leben und Überleben wird so zu Glückssache oder ist abhängig von der Zuverlässigkeit sich verantwortlich fühlender Menschen, die für einen da sind, wann immer man sie braucht. Auch wenn wir Menschen auf diese Weise durch Erfahrungen in unserem Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen und unserer Selbstsicherheit geschwächt werden, zählt instinktiv gesehen nur das Ergebnis, überlebt zu haben. Erst wenn die Gefahr überstanden ist, kommen Menschen über 3 Jahren wieder ,,zur Besinnung“ und versuchen das Geschehene zu verstehen. Sie analysieren und bewerten alles was passiert ist und suchen nach dem Fehler, der dafür verantwortlich sein muss, dass sich jemand ,,schlecht“ gefühlt hat. Die eigentliche Schwere im Erleben ist Hilflosigkeit, die sich allerdings hinter Gefühlen wie Angst, Wut, Traurigkeit, Eifersucht und Ärger versteckt. Am Ende rechtfertigen wir das eigene Verhalten, indem wir andere Menschen für die Angst, Traurigkeit, Eifersucht und den Ärger unbewusst verantwortlich machen. ,,Wenn meine Mutter (Vater, Oma, Opa, Tante, Lehrer….) nicht so streng (gleichgültig, gelangweilt, genervt…) gewesen wäre, dann wäre ich selbstsicher (fröhlich, leicht, entspannt, …) gewesen. Ohne die eigene Hilflosigkeit zu erkennen, versuchen verunsicherte Menschen Situationen und Begegnungen zu vermeiden, die sie nicht kontrollieren können. Dafür versuchen sie ihr Verhalten den Bedingungen so anzupassen, dass sie keine Gegenwehr anderer Menschen auslösen. Dies gelingt normalerweise am besten dadurch, dass man entweder versucht den Mitmenschen zu gefallen oder sich im Gegenteil unangreifbar macht. Ohne uns dessen bewusst zu sein, versuchen wir Menschen andere in unserer Umgebung im eigenen Sinne zu beeinflussen. Ist zum Beispiel jemand traurig, möchten er oder sie gerne aufgeheitert werden. Der Anspruch an die Lebenspartner sieht dann so aus, dass die sich anstrengen müssen, das traurige Familienmitglied, die Kollegen und Freund:in glücklich zu machen. Hape Kerkeling ist ein ziemlich bekanntes Bespiel eines Menschen, der versucht hat, seine depressive Mutter zu retten. Der Antreiber, andere zu retten ist wahrscheinlich immer die Angst davor, hilflos und allein dem Leben mit all seinen Ansprüchen nicht gewachsen zu sein und deshalb aus eigener Kraft nicht selbstständig leben und überleben zu können.
Deshalb versuchen selbst tendenziell freundliche, liebevolle Menschen ihre Kinder, Partner, Freunde, Verwandte und Kollegen zu Menschen zu machen, die sie in ihrem Leben brauchen können.
Braucht ein unsicherer Mensch, der sich nicht auf sich selber verlässt, eine durchsetzungsstarke Person an der Seite, dann wird ein Kind zu Durchsetzungskraft erzogen. Das Gleiche gilt für alle menschlichen Eigenschaften wie Freundlichkeit, Mut, Kreativität, Intelligenz, Hilfsbereitschaft, usw.. Neugeborene, Babys und Kleinkinder unter 3 Jahren können diese Zusammenhänge nicht erkennen, nehmen aber die Reaktionen anderer auf ihr Verhalten wahr. Ein Kind spürt also die positive Reaktion von Mutter und/oder Vater, wenn es sein Spielzeug gegen ein anderes Kind verteidigt und sich damit erfolgreich durchgesetzt hat und behält das Verhalten bei. Dasselbe Kind würde allerdings bei negativer Reaktion wichtiger Bezugspersonen in der Umgebung zukünftig auf Durchsetzungsstärke verzichten und sich stattdessen auf Verhaltensstrategien besinnen, die im Außen mehr Anklang fanden.
Da wir aber ein unendlich großes Potential an Eigenschaften zur Verfügung haben, haben wir genauso viele Handlungsmöglichkeiten, die wir aber nicht nutzen, weil wir uns nur dem anpassen, was erwartet wird. Eigenschaften, die nicht zu den Erwartungen passen, und die deshalb auch nicht beachtet werden, werden nicht genutzt, entwickelt und stehen deshalb auch nicht mehr automatisch zur Verfügung. Der Wunsch sich bestmöglich anzupassen, kostet uns die Freiheit, Eigenschaften an sich zu entdecken, die uns stark machen würden, das Leben aus eigener Kraft zu bewältigen und bleiben abhängig.
Fazit: Anpassung macht schwach
Ich wünsche dir eine schöne Woche
Deine Klee
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Anpassung macht dich schwächer
Mein Name ist Kerstin Luise Else Erika Neumüller-Haver, kurz Klee. Seit 35 Jahren bin ich begeisterte Mutter und neuerdings auch noch Oma eines wunderbaren Enkelkindes. Obwohl ich immer alles hatte, war ich dennoch selten zufrieden und ausgeglichen.